„Jede Frau sollte sich klar darüber werden, was ihr wichtig ist und was sie will. Dann ist sie auch kein Opfer, sondern kann sich ihren Weg gestalten“

 Beschreiben Sie uns Ihre jetzige Position und den Weg, der Sie dorthin geführt hat.

Ich bin seit März dieses Jahres Geschäftsführerin der XING Events GmbH. Wir sind eine 100-Prozent-Tochter des Businessnetzwerks XING. In dieser Rolle bin ich für die Geschäftsentwicklung, Umsätze, Ergebnisse und Mitarbeiter unserer Eventmanagementservices verantwortlich.

Meine Karriere begann aber nicht in der Digitalwirtschaft, sondern beim weltweit größten Paketzustelldienst UPS. Zwölf Jahre lang konnte ich hier fundiertes Wissen über Führung und Entwicklung von Vertriebsorganisationen aufbauen. 2006 wagte ich den Sprung ins kalte Wasser und wechselte zu conject, einem Start-up der Digitalwirtschaft. Das war eine herausfordernde Zeit in vielerlei Hinsicht: neue Branche, neues Team und noch kein fertiges Geschäftsmodell. Zudem waren meine Kinder damals noch sehr klein. Sechs Jahre half ich den Gründern beim Aufbau einer erfolgreichen, skalierbaren Vertriebsorganisation. Heute ist dieses Unternehmen Teil von Oracle.

Ich mag Herausforderungen und die Möglichkeit, Dinge zu bewegen. Das Arbeiten mit jungen, engagierten und innovativen Leuten inspiriert mich. Deshalb stieg ich 2012 bei amiando ein, das kurz zuvor von XING gekauft worden war.  Ich übernahm hier das Vertriebs- und Serviceteam. Anspruchsvolle Jahre mit vielen Herausforderungen und großen Erwartungen folgten – nicht nur einmal war ich kurz davor, alles hinzuschmeißen. Die Gratwanderung zwischen Job und Familie hat mich regelmäßig an Grenzen gebracht. Von Anfang an war ich die zweite Kraft hinter unserem CEO. Ich habe viel mit ihm diskutiert, gelernt und gestritten. Meist habe ich umgesetzt, was er visionär entwickelt hat. Meine Meinung hatte aber immer Gewicht und zunehmend auch Einfluss. Wenn ich heute zurückblicke, bin ich sehr stolz auf meine Arbeit und mein Team. Wir haben den Durchbruch geschafft und ein weiteres Standbein innerhalb von XING etabliert. Inzwischen wachsen wir jährlich zweistellig, mit gesunder Marge. Als unser CEO Anfang dieses Jahres seinen nächsten Schritt machte, war meine Chance auf einen nächsten Karriereschritt gekommen. Schon längere Zeit hatte ich die Gesamtverantwortung für Produkte. Trotzdem kam der Schritt zur Geschäftsführerin nicht automatisch. Es hat sicherlich geholfen, dass ich zum richtigen Zeitpunkt nochmals klar gesagt habe, was ich will und was alle davon haben.

Xing
Kati Rittberger. Foto: XING Events

Was macht die MICE-Branche für Sie besonders spannend?

Das sind viele Aspekte. Die MICE-Branche packt an, ist kreativ, vielfältig und komplex. Das hier außerdem viele Frauen arbeiten, gibt dem Ganzen noch die gewisse Würze.

Das Besondere an unserer Branche ist, dass es so viele Menschen gibt, die bereit sind, für Veränderung auch Risiken und Mehrarbeit in Kauf zu nehmen. Aus Leidenschaft und Überzeugung haben wir beispielsweise zusammen mit Thomas Minkus von der Frankfurter Buchmesse 2014 die Ausstellervermarktung digitalisiert. Auch wenn wir mit diesem Produkt letzten Endes nicht zum Zug gekommen sind, war das eine wahnsinnig spannende Zeit. Die Branche verfügte zu diesem Zeitpunkt noch nicht über solche Lösungen. Mittlerweile haben alle Anbieter von Messelösungen ähnliche Produkte entwickelt.

Kaum eine andere Branche hat so geniale Ideen und innovative Events, die ich schon erleben durfte. Zu meinen absoluten Event-Highlights zählen Year of the X und die OMR, die wir mit unseren Lösungen begleiten dürfen – genial!

Innovative Unternehmen scheint es unzählige am Markt zu geben, wir führen inzwischen 56 als Partner. Der Austausch mit ihnen macht unsere Arbeit so einzigartig.

Der hohe Frauenanteil in der Branche macht die Arbeit darüber hinaus sehr viel interessanter. Das ist ein großer Unterschied zu meiner Arbeit bei UPS damals. Vielleicht hat sich das mittlerweile geändert – Frauen in Führungspositionen zählten damals zu den Exoten. Ein bezeichnender Satz, der mir im Kopf geblieben ist: „Wer nicht als Paketzusteller angefangen hat, der hat hier keine Chance.“ Das fasst die damalige männerdominierte Logistikbranche, glaube ich, ganz gut zusammen.

Wo sehen Sie innerhalb der Branche die größten Hürden für Frauen?

Bei den Frauen selbst! Frauen sollten bereit sein, Verantwortung auch neben der Familie zu übernehmen, und können lernen, mit dem hohen Arbeitspensum und dem Druck umzugehen. Viele sind zu brav und zu ruhig und warten oftmals darauf, entdeckt zu werden. Stattdessen sollten Frauen für sich einstehen, ihre Arbeit und Leistung zeigen und klar kommunizieren, was sie wollen. Auch wenn die Branche innovativ ist, in diesem Punkt haben wir noch einiges nachzuholen. Selbst die Modebranche ist fortschrittlicher – zumindest hat das so den Anschein mit Heidi Klum als Model-Mama der Mode. Wir bei XING möchten das ändern und setzen uns aktiv für die Entwicklung und Förderung von Frauen ein. Ich unterstütze das mit aller Kraft auch am Münchner Standort.

Hatten Sie in Ihrer bisherigen Laufbahn mit Vorurteilen zu kämpfen?

Ich habe bei UPS 1994 in einem sehr traditionellen, männerdominierten Businessumfeld angefangen zu arbeiten. Mir war damals sehr bewusst, dass ich meinen ersten Job wohl wegen meines Aussehens bekommen habe und nicht wegen meines auch guten Studienabschlusses. Aber Chancen sollte man nutzen (und frau erst recht) und dann einfach zeigen, dass man viel mehr kann! Nach zwei Jahren habe ich ein Team von zehn Männern übernommen, alle älter als ich und alle länger in der Firma. Die Stelle habe ich sicher nicht bekommen, weil ich blond war – und die Jungs fanden das auch gar nicht so lustig.

Wie würden Sie selbst Ihren Führungsstil be- schreiben und was ist Ihnen dabei wichtig?

Inzwischen lege ich sehr großen Wert auf einen integrativen und wertschätzenden Führungsstil. Ohne ein gutes Team geht nämlich gar nichts. Aber das musste ich lernen. Am Anfang meiner Karriere habe ich oftmals sehr autoritär agiert, um mich in der Männerwelt zu behaupten. Außerdem habe ich wahnsinnig viel gearbeitet und durch meine Leistung überzeugt. Ich habe vorgelebt und vorgegeben. Das machen viele Männer übrigens genauso.

In Zeiten von New Work – und je breiter das Verantwortungsgebiet wird – kommt es verstärkt auf das Team an. Inzwischen weiß ich, dass ein Team, das die Ideen mitentwickelt und mitgestaltet,  nicht nur die besseren Ideen generiert, sondern diese auch durch die Wand trägt.

Wer hat Sie auf Ihrem bisherigen (Lebens-) Weg inspiriert?

Da gab es verschiedene Menschen in meinem Arbeits- und Lebensumfeld, die meisten davon Männer. Intelligent, mutig und mit außergewöhnlichen Ideen. Alle einzigartig – wie jeder von uns. Sehr viel an Unternehmergeist hat mich der Gründer von conject, Martin Reents, und dessen ganzes Gründerteam gelehrt, darunter eine Frau. Aber auch die Bestätigung und das Vertrauen, das mir so oft, auch bei Fehlschlägen, entgegengebracht wurde – meist von Männern –, haben mich darin bestärkt, nicht aufzugeben.

Meine Eltern haben mich ebenso inspiriert. Für mich war immer ganz klar: Karriere und Familie, das muss beides gehen. Ich wollte mich nicht entscheiden. Ich wollte beides. Als meine Jungs geboren wurden, da haben viele nicht verstanden, dass ich so schnell wieder arbeiten gehe, und dann auch noch so viel. Für mich gab es nur diesen Weg, auch wenn der manchmal schwierig war.

Was würden Sie Kolleginnen am Anfang ihrer Karriere mit auf den Weg geben?

Nicht jede Frau muss sich für die Top-Karriere entscheiden. Die kostet tatsächlich einiges an Energie und Willen. Wichtig finde ich, dass jede junge Frau sich klar darüber wird, was ihr wichtig ist und was sie will. Dann ist sie auch kein Opfer, sondern kann sich ihren Weg gestalten. Frauen sollten dabei vor allem offen und transparent mit ihren Vorgesetzten über Wünsche und Vorstellungen sprechen. Auf das Selbstgestalten kommt es an. Sagen, machen, zeigen! Ein wichtiger  Rat ist hier, dass sich Frauen das Umfeld suchen sollten, in dem das auch gewürdigt wird. Man darf den Arbeitgeber wechseln. In Zeiten fehlender Fach- und Führungskräfte ist das gar nicht mehr so schwer.

Gerade in der MICE-Branche sind langjährige Beziehungen und Erfahrungswerte wichtig. Deshalb ist ein erfolgreicher Wiedereinstieg nach der Babypause nicht nur für Frauen, sondern auch für Unternehmen wichtig. Das muss gar nicht zwingend Vollzeit sein. Auch in Teilzeit kann frau Führung übernehmen, wenn sie das denn will. Bei XING gibt es einige sehr gute Beispiele dafür.

Welche positiven Eigenschaften besitzen Frauen am Arbeitsplatz, aus denen wir alle mehr machen sollten?

Das Problem ist die Stereotypisierung der Eigenschaften von Mann und Frau. Dabei hängt Führungsqualität nicht mit dem Geschlecht zusammen, sondern mit den Eigenschaften jedes Einzelnen. Frauen scheinen mir enorm diszipliniert und leistungsfähig, gerade weil sie beweisen wollen, dass Beruf und Familie miteinan- der vereinbar sind – und das ja auch nur so geht.

Warum, glauben Sie, reden wir immer noch über Geschlechterungleichheit bei der Arbeit? Und warum, glauben Sie, entwickelt das Thema heute so eine Dynamik, vielleicht mehr als jemals zuvor?

Historie  ist zäh. Traditionell haben  Frau- en und Männer in der Vergangenheit oft unterschiedliche Berufe ausgeübt: Pflege und Ausbildung übernahmen oft die Frauen, Technik und Handwerk die Männer. Dazu die unterschiedlichen Einkommenserwartungen, da ja lange in unserer Gesellschaft der Mann  der Hauptverdiener war.

Unternehmen müssten im Allgemeinen ihre Vorurteile gegenüber geschlechterspezifischen Aufgaben und Mustern abbauen. Nicht jede Frau möchte Teilzeit arbeiten oder über einen längeren Zeitpunkt der Arbeit fernbleiben, und nicht jeder Mann möchte Vollzeit arbeiten. Es geht um Fähigkeiten und Leistungen und nicht um das Geschlecht oder sonstige Persönlichkeitsmerkmale. Die Wirtschaft kann es sich außerdem auch nicht mehr leisten, das Potenzial top ausgebildeter und engagierter Frauen nicht zu nutzen.

Zunehmend wird die moderne Rollenverteilung schon in Unternehmen gelebt, was Nachahmer findet. Die Politik hat mit Frau von der Leyen viel in Bewegung gebracht. Die Unternehmen sollten das noch schneller aufgreifen, auch um die Diversität und damit den Erfolg der Unternehmen zu verbessern. Denn heute weiß man, dass gemischte Teams nachweislich erfolgreicher sind.

Deshalb freut es mich besonders, dass Frauen in Führungspositionen medienwirksam inszeniert werden und zunehmend als Vorbilder dienen; wie Sheryl Sandberg, COO Facebook, Magdalena Rogl, Head of Digital Channels, Microsoft, oder Delia Fischer, Mitgründerin Westwing.

XING versucht, auch hier mit gutem Beispiel voranzugehen. Für die Führungskräfteentwicklung tut XING generell sehr viel, seit letztem Jahr zusätzlich noch mit einem Female-Leadership-Programm. Es gibt dort einige sehr beeindruckende Frauen in Führungspositionen. Und die arbeiten bei weitem nicht alle Vollzeit! Auch deshalb arbeite ich so gern für XING.