„Ich glaube nicht, dass sich mein Führungsstil von dem eines Mannes unterscheidet.“

Beschreiben Sie uns Ihre jetzige Position und den Weg, der Sie dorthin geführt hat.

Nach meinem Studium in Berlin war mei- ne erste berufliche Station in Hamburg, wo ich als Beraterin tätig war. Im April 1991 wechselte ich dann zur Koelnmesse. Das war für mich ein logischer Schritt, denn das Messewesen hat mich schon immer fasziniert. Und er hat sich ausgezahlt, denn ich hatte in Köln die Möglichkeit, neue Veranstaltungen auf- und auszubauen sowie dazu beizutragen, neue Formate im Ausland zu etablieren. Nachdem ich 2004 in Köln eine Geschäftsbereichsleitung übernommen hatte, folgte 2011 der Wechsel aus dem Rheinland ins Ruhrgebiet. Ich wurde Hauptgeschäftsführerin der heutigen Westfalenhallen Unternehmensgruppe. Die Aussicht, die Gesamtverantwortung für ein Messeunternehmen zu tragen, empfand ich als spannende Herausforderung – denn im Messewesen sind Frauen in Entscheider-Positionen nach wie vor noch in der Unterzahl.

Sabine Loos, Hauptgeschäftsführerin der Westfalenhallen Dormund GmbH
„Wir haben uns in den vergangenen Jahren intensiv für den Messevertrieb engagiert und 2015/2016 das Kongresszentrum modernisiert. Diese Aktivitäten haben sich ausgezahlt“, freut sich Sabine Loos, Hauptgeschäftsführerin der Westfalenhallen Dortmund GmbH. Foto: Westfalenhallen Dortmund GmbH

Jetzt leite ich seit über acht Jahren die Geschäfte des Unternehmensverbunds mit seinen drei Tochtergesellschaften Messe Dortmund GmbH, Kongress Dortmund GmbH und der Westfalenhalle GmbH. Aktuell sind wir 318 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die pro Jahr mehr als 50 Messen, über 1.100 Kongressveranstaltungen und 144 Events in der Westfalenhalle im wahrsten Sinne des Wortes über die Bühne bringen.

Was macht die MICE-Branche für Sie besonders spannend?

Die MICE-Branche generiert mittlerweile weltweit Milliardenumsätze. Laut einer 2018 durchgeführten Studie des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft konnte die Konzert- und Veranstaltungswirtschaft zwischen Juli 2016 und Juni 2017 allein in Deutschland einen Gesamtumsatz von rund 4,9 Milliarden Euro erzielen. Im Vergleich zu 2013 – dem letzten zuvor untersuchten Jahr – stiegen die Erlöse damit  um ca. 31 Prozent. Aufgrund des höheren Volumens passiert natürlich auch immer

mehr in der Branche selbst. Es entwickeln sich fortlaufend neue Themen und Trends wie zum Beispiel die Minimierung des CO2-Fußabdrucks von Veranstaltungen oder neue Formate wie Barcamps, Open Space oder Science Slams. Das macht die Branche unheimlich spannend.

Das Hauptaugenmerk richtet sich hier vor allem auf die strategische Positionierung der Marktteilnehmer in einer dynami- schen Branche. Die Messe Dortmund hat die steigende Bedeutung schon vor Jahren erkannt und die internationale Fachmes- se „Best of Events“ übernommen, die seit 2016 als Eigenveranstaltung unter dem heutigen Namen BOE International auf einen erfolgreichen Weg zurückblicken kann. So nutzten 2019 rund 650 Ausstel- ler aus Bereichen wie Event-Veranstaltung und -Ausstattung sowie Messebau die Möglichkeit, ihre Leistungen und Ideen den rund 11.000 Fachbesuchern aus Agen- turen und Unternehmen zu präsentieren und sich so ideal in Szene zu setzen.

Wo sehen Sie innerhalb der Branche die größten Hürden für Frauen?

Ein zentrales Thema ist sicherlich, wie auch in anderen Branchen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das Schlüsselwort lautet: Kinderbetreuung.  Zwar hat sich in diesem Bereich schon einiges verändert, aber optimal ist  die  Situation noch lange nicht. Denn besonders in unserer Branche sind Dienstreisen und Wochenendarbeit häufig unvermeidlich. Die Betreuung der eigenen Kinder wird da schnell zur organisatorischen Meisterleistung. Dennoch rate ich Frauen, die auch mit Familie Karriere machen wollen, nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit möglichst in Vollzeit oder zumindest möglichst viele Stunden zu arbeiten.

Hatten Sie in Ihrer bisherigen Laufbahn mit Vorurteilen zu kämpfen?

Ich selbst kann glücklicherweise von keinen Vorurteilen berichten, auf die ich auf meinem beruflichen Werdegang gestoßen wäre. Bei meiner Einstellung zur Hauptgeschäftsführung der Westfalenhallen bin ich mir beispielsweise sicher, dass nach objektiven Kriterien entschieden wurde. Es wurde nach jemandem gesucht, der die entscheidenden Geschäftsfelder der  Westfalenhallen versteht. Durch meine langjährige Erfahrung im Messegeschäft konnte ich dieser objektiven Wunschqualifikation gut entsprechen, was letztlich zu meiner Stellenbesetzung führte. Aufgrund dieser Erfahrungen glaube ich, dass die Benachteiligung von Frauen kein Naturgesetz sein muss. Ich habe auch das Gefühl, dass die Unterstellungen, Frauen besäßen weniger Durchsetzungsfähigkeit und Fachwissen, insgesamt weniger werden. Dieser Eindruck wird beispielsweise durch Gespräche unter Kolleginnen bestärkt.

Wie würden Sie selbst ihren Führungsstil beschreiben und was ist Ihnen dabei wichtig?

Ich glaube nicht, dass sich mein Füh- rungsstil von dem eines Mannes unterscheidet. Generell machen wir da bei der Westfalenhallen Unternehmensgruppe keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in unserem Unternehmen sind Frauen. Bei uns gibt es Frauen auf allen relevanten Management-Ebenen. Trotzdem ist mir bewusst, dass  Frauen auf ihrem Karriereweg besonderen Herausforderungen gegenüberstehen. Gerade deshalb möchte ich mit gutem Beispiel vorangehen. Ich bin selbst Frau in einer Führungsposition und gleichzeitig Mutter. Ich weiß, was es bedeutet, die beiden Bereiche unter einen Hut zu bekommen. Ich stehe deshalb gerne für Fragen oder Ratschläge zur Verfügung. In persönlichen Gesprächen versuche ich häufig, Frauen zu ermutigen, sich die nächsten Karriereschritte zuzutrauen. Auch wenn das natürlich nicht immer funktioniert.

Wer hat Sie auf Ihrem bisherigen (Lebens-) Weg inspiriert?

Da gibt es keine konkrete Persönlichkeit, die ich als Vorbild nennen könnte. Sicherlich wurde ich durch meine Familie geprägt. Mein Vater hatte seine eigene Firma, daher habe ich das unternehmerische Denken quasi von Kindesbeinen auf gelernt. Unser familiäres Leben war geprägt von der Selbstständigkeit meines Vaters, in der es durchaus auch Rückschläge geben konnte. Das war manchmal nicht einfach. Trotzdem musste es natürlich immer irgendwie weitergehen. Das war auch das Motto meines Vaters, das ich bis heute verinnerlicht habe: Stillstand ist Rückschritt.

Was würden Sie Kolleginnen am Anfang ihrer Kar- riere mit auf den Weg geben?

Wichtig ist, dass Frauen an sich glauben und auf ihre Fähigkeiten vertrauen. Sie sollten sich niemals entmutigen lassen und stets selbstbewusst auftreten, auch wenn mal etwas danebengeht. Das allein kann manchmal schon viele Hindernisse aus dem Weg räumen. Ich habe außerdem die Erfahrung gemacht, dass eine Mentorin oder einen Mentor hilfreich sein kann. Danach sollte jede Frau sofort suchen, wenn sie eine neue Stelle antritt. Wichtig ist außerdem das berufliche Netzwerk. Frauen sollten sich nicht allein auf ihre Qualifikationen verlassen, sondern intensiv Kontakte knüpfen, die sie in ihrer späteren Laufbahn voranbringen können.

Welche positiven Eigenschaften besitzen Frauen am Arbeitsplatz, aus denen wir alle mehr machen sollten?

Ich halte nicht viel von Pauschalisierungen. Es gibt meines Erachtens nach ebenso kompetente weibliche wie männliche Kollegen, die alle ihre individuellen Beiträge am Arbeitsplatz leisten.

Warum, glauben Sie, reden wir immer noch über Geschlechterungleichheit bei der Arbeit? Und warum, glauben Sie, entwickelt das Thema heute so eine Dynamik, vielleicht mehr als jemals zuvor?

Ich kann diese Frage hauptsächlich für den Eventbereich beantworten: Die Branche ist überwiegend weiblich, das spiegelt sich bisher jedoch nicht ausreichend in den Besetzungen der Führungspositionen wider. Da fällt ein solches Ungleichgewicht natürlich besonders auf. Auch  die Vereinbarkeit von Karriere und Beruf hat nach wie vor etwas mit dem Thema Geschlechterungleichheit zu tun. Mütter sind im Beruf besonders stark belastet. Dies trifft die Eventbranche besonders, weil die Arbeitszeiten hier häufig nicht sehr familienfreundlich sind. An diese Stelle brauchen die Frauen besondere Unterstützung und bessere Angebote zur Kinderbetreuung.