Qualifizierung, Technik und Zukunftsszenarien auf der Zweiten Deutschen Sicherheitskonferenz

Im Krisenfall nicht ausreichend vorbereitet?

  • Experten auf der Konferenz präsentierten den Status Quo der Sicherheitsstandards professioneller Eventorganisation – Tools der Digitaliserung noch zu wenig bekannt
  • Geänderte Sicherheitslage hat nicht zur ausreichenden Qualifizierung des Veranstaltungs­personals und zur Vereinheitlichung der Rechtslage geführt
  • Nachfolgekonferenz im nächsten Jahr wieder in Dortmund geplant
DSK2018-Podiumsdiskussion
Deutsche Sicherheitskonferenz 2018-Podiumsdiskussion

„Räumungskonzepte, Evakuierung und Krisenmanagement für Events“ waren die Themen der Zweiten Deutschen Sicherheits-Konferenz mit fast 100 Teilnehmern im Kongresszentrum Westfalenhallen Dortmund. Das Spektrum der Fachbeiträge zur Veranstaltungssicherheit reichte von wissenschaftlichen Modellen über Vorgaben und Empfehlungen an Organisationen und Veranstalter für den Umgang mit Notfällen und Anschlägen bis zur Präsentation von praktischen Beispielen. Weitere Vorträge beschäftigten sich mit instrumentellen Lösungen zur Zugangskontrolle oder Analysen von Besucherbewegungen. In der Abschluss-Podiumsdiskussion der Konferenz waren sich alle Referenten einig: Die Rahmen­bedingungen bezüglich Personalqualifizierung, technischem Know-how und zielgerich­teter Kommunikation für Krisenfälle und die Rechtsgrundlagen im Veranstaltungs­bereich müssen weiter verbessert werden. Weitere Kritikpunkte der Experten: Oft genug entscheide nur der Preis und nicht die Qualifikation eingesetzter Mitarbeiter. Vorhandenes digitales Equipment zur Koordination aller Beteiligten einer Veranstaltung werde ebenfalls noch zuwenig genutzt.

Initiatoren und Förderer der Konferenz waren die Studieninstitut für Kommunikation GmbH, Unternehmensberatung Jastrob Ltd.& Co. KG, AktivMedia Marketing- und Medienkommunikation GmbH, Kongresszentrum Westfalenhallen, FastLane GmbH und doo GmbH. Sympathisch moderiert wurde die Veranstaltung von Lukas Gajewski.

Als Einführung berichtete Holger Gerdes, Verwaltungsleiter der Fortbildungsakademie des Ministeriums des Innern Nordrhein-Westfalen, über die Grenzen des Machbaren bei Großer­eignissen. Als Fachplaner Besuchersicherheit leitete Gerdes 18 Jahre die Landespräsentationen bei den Festlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit. An konkreten Vorfällen aus Bonn 2011 erläuterte er seine Erfahrungen als verantwortlicher Veranstaltungsleiter. Sein Rat an die Konferenzbesucher: Polizei und Rettungskräfte frühzeitig in die Planung eines Großereignisses einzu­binden, kann spätere Krisen und Vorfälle verhindern.

Aus dem Bereich der Wissenschaft referierte Dr. Volker Schneider, vom IST/vfdb-Referat 4 zu „Ingenieurmethoden des Brandschutzes: Einsatzmöglichkeiten von Personenstrommodellen zur Bewertung der Personensicherheit bei Veranstaltungen“. Seit 1990 arbeitet er in der Entwicklung von Simulationsmodellen im Bereich Brandmodellierung, Personenstromanalyse und Systemzu­verlässigkeit.

Aus der angewandten Wissenschaft berichtete Dr. Angelika Kneidl als Geschäftsführerin der accu:rate GmbH, einer Ausgründung der Technischen Universität München. Forschungs­schwerpunkt ist hier die „Simulation und Analyse von Personenströmen“. Im Zuge dessen arbeitet Kneidl eng mit Sicherheitsplanern für Veranstaltungen zusammen, um die Gestaltung von Flucht- und Rettungswegen zu optimieren. Das Thema „Crowd Simulation“ werde weiter an Bedeutung zunehmen, um Gefahren für Besucher präventiv zu erkennen und auszuräumen, wie z. B. Engstellen auf Fluchtwegen bzw. Evakuierungsstrecken. Zunehmend würden auch psycho­logische Faktoren in die aktuelle Forschung einfließen, was die Vorsehbarkeit von menschlichem Verhalten in Krisensituationen verbessere, so die Wissenschaftlerin. Sie appellierte an die Besucher, sich bei der Eventplanung über das mögliche Besucherverhalten im Krisenfall Gedanken zu machen und Fachleute zu Rate zu ziehen.

Der zweite Teil der Konferenz beschäftigte sich mit den heutigen technischen Möglichkeiten im Rahmen der Veranstaltungsorganisation und -überwachung. Marcel Schettler und sein Kollege Oliver Maitre, von der Guest-One GmbH, stellten eine Software vor, um professionelles Teil­nehmer- und Crewmanagement zu gewährleisten. Denn nur ein solches Handling gewährleiste die Sicherheit einer Veranstaltung.  So hieß der Vortrag auch: „Was Teilnehmer- und Crew­management mit Veranstaltungssicherheit zu tun hat“. Gerade der Umgang mit Daten von Gästen bzw. Teilnehmern und Mitarbeitern müsse professionalisiert werden. Am Beispiel des Events „Germany‘s next Topmodel“, das vor Jahren von einer Bombendrohung überschattet wurde, thematisierten die Experten die praktische Umsetzung einer erfolgreichen Crew­überwachung.

Florian Bollig, zuständig für die Sicherheitskoordination bei der Produktionsagentur Vantage Global Event Production, stellte eine neue App zur Eventorganisation und Mitarbeitskoordi­nierung vor: „Digitales Sicherheitsmanagement 4.0 für Veranstaltungen“. Dabei seien die Nachvollziehbarkeit und das einfache Handling der Software, aber auch die juristische Absiche­rung der Eventorganisation, wichtig. Konferenzbesucher konnten live die App herunterladen und ausprobieren. Prozesskoordination, Delegierung, Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten, Qualifikation, Koordination, Kommunikation – alle Bereich der Eventorganisation werden hier digital umgesetzt und lassen sich übersichtlich verwalten. Damit werde auch das Sicherheits­manage­ment professionalisiert.

Werner Schiffer vom Full-Service-Dienstleister im Bereich des Guest Management, der FastLane GmbH, präsentierte das Handling der biometrischen Gesichtserkennung und deren Nutzen. Als erstes deutsches Unternehmen bietet die FastLane Gesichtserkennung für Events an. Für alle Events mit hohen Sicherheitsanforderungen oder hohem Besucheraufkommen biete diese Technologie einen hohen Mehrwert. Dass es tatsächlich funktioniert, konnten die Konferenzteil­nehmer im Vorfeld der Anmeldung durch das Einreichen eigener Gesichtsfotos herausfinden.

So wie die Einführung handelte auch das Abschlussreferat von den Gefahren für die Sicherheit bei Großveranstaltungen. Dazu erläuterte Dr. rer. nat. Hans-Walter Borries als Sicherheits­experte, über die Gefahren durch Drohnen und die Denkschemata potentieller Gefährder. Mit Lehrauftrag der Universität Witten/Herdecke, im „Bundesverband für den Schutz Kritischer Infrastrukturen e. V.“ und Geschäftsführer sowie Inhaber von FIRMITAS Institut für Wirtschafts- und Sicherheitsstudien, beschäftigt er sich seit Jahren mit der Gefährdung des öffentlichen Raumes und asymetrischer Bedrohung. Dabei müsse man nicht in großen Maßstäben denken, denn um Chaos auszulösen, reichten mitunter auch banale Substanzen platziert von Einzeltätern aus. Borries wies nachdrücklich auf die notwendige Qualifizierung von Sicherheitspersonal und von geschulten Krisenstäben hin.

Die Veranstalter Michael Hosang, Olaf Jastrob und Peter Blach zeigten sich äußerst zufrieden mit dem Networking der Konferenzteilnehmer und dem Ablauf der Veranstaltung und kündigten den nächsten Sicherheits-Kongress für 2019 an: „Es besteht weiterhin viel Klärungs- und Handlungs­bedarf für die Evaluierung und Umsetzung professioneller Eventorganisation. Verantwortlich­keiten müssen präziser geklärt, die Kommunikation aller Beteiligten mit den heutigen digitalen Möglichkeiten optimiert und die Regelwerke vereinheitlicht werden. Das Bewusstsein für die Sicherheit auf Veranstaltungen muss weiter gestärkt werden. Unsere Veranstaltung bot hierfür genau den richtigen Ansatz. Der interdisziplinäre Austausch zwischen Dienstleistern, Behörden und Wissenschaft verhalf den Teilnehmern Events aus einer anderen Perspektive zu betrachten und bot eine aktuelle Zusammenfassung der Entwicklungen. Darauf werden wir aufbauen und das Format intelligent weiterentwickeln.“

www.eventsicherheit.org

www.studieninstitut.de/weiterbildung-veranstaltungssicherheit